Willkommenskultur

Von Lars Becker.

Wenn wir es ernsthaft wollen und zulassen, können alle Neubürgerinnen und Neubürger einen großen Mehrwert für unsere Gesellschaft bieten. Stuttgart wird voraussichtlich ab Mitte 2014 zwei hoffentlich gut kooperierende Willkommenszentren erhalten. Die Stadt Stuttgart hat es sich zum Ziel gesetzt, in diesen Institutionen keine Mehrklassen-Willkommenskultur aufzubauen. Ein wünschenswerte und zugleich eine hochkomplexe Aufgabe. Mir ist es wichtig, bürgerschaftliches Engagement in diesen städtischen Willkommensaktivitäten zu aktivieren, damit die Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts mitsprechen und mit willkommen heißen können.

Die Ängste der Bürgerinnen und Bürger, die mit den vielen Herausforderungen einer vitalen, offenen und gelebten Willkommenskultur einhergehen, sind verständlich. Darüber sollten wir offen sprechen können. Warum zum Beispiel suchen wir Fachkräfte im Ausland, wenn viele ältere Arbeitssuchende bei uns keine Stelle finden? Gute Fragen, mit denen wir uns offensiv und mit ausgestreckter Hand auseinandersetzen müssen. Nicht reden, bedeutet ignorieren. Dazu braucht es Foren für eine öffentliche Diskussion, damit nicht die Spezialisten unter sich bleiben, sondern auch „Betroffene“ sich Gehör verschaffen können.

Die Stadt kann die Grundlagen dafür schaffen, um eine Willkommenskultur in Stuttgart zu befördern. Dafür gilt es sich einzusetzen. Die Haltung der Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger liegt nicht in den Händen des Gemeinderats, sondern bei jedem selbst. Flagge zeigen! Flagge für Menschen, die aus wirtschaftlicher oder politischer Not in kümmerlichen Nussschalen das Mittelmeer überqueren, um das europäische Festland zu erreichen. Wer sich wünscht, dass weniger Flüchtlinge in Stuttgart aufgenommen werden, um mit dem „eingesparten“ Finanzmitteln z.B. Kindergartenplätze zu schaffen, ist zynisch und ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Wir haben als Exportweltmeister – unter anderem auch mit Spitzenpositionen im Rüstungsexport und Sicherheitstechnik, Chemieproduktion – eine Verantwortung, der wir uns stellen müssen. Unser Wohlstand beruht zum Teil auf dem Zustand in anderen Ländern. Außerdem wird uns vor allem die demografische Entwicklung Deutschlands noch vor riesige Herausforderungen stellen. Wir brauchen eine gelebte und von der Bevölkerung gestützte Zuwanderungspolitik. Wer pflegt zum Beispiel zukünftig die vielen Menschen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft? Wer baut unsere Häusle? Diese Fragen sind selbst mit der bestmöglichen Familienpolitik nicht zu beantworten. Außerdem können wir viel von anderen Kulturen lernen. Wie sehen andere Familienstrukturen aus? Wie wichtig ist Demokratie? Wie wird Stadtgesellschaft in anderen Regionen gelebt? Andere Kulturen können uns hier wichtige Impulse geben.

Ein abschließender Hinweis: Neubürgerinnen und Neubürger kommen auch aus Hessen, Sachsen und dem Rheinland.

DiverCities – lebendige Orte des Ankommens

Forum der Kulturen Stuttgart e.V.

Welthaus Bielefeld

Die Stuttgarter Partnerschaft „Eine Welt“

Stuttgarter Bündnis für Integration 

Perspektiven für unsere internationale Stadt, Broschüre, 2006

Zehn Jahre Stuttgarter Bündnis für Integration, Broschüre, 2011

Stuttgarter Nachrichten vom 22.12.2013: „Willkommenszentren starten im Juli“

Spiegel Online Politik: Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten 2013

Becker_Lars_MG_2750

Lars Becker ist leidenschaftlicher Stuttgarter, Mitbegründer der Initiative DiverCities Stuttgart, Vorsitzender des Stuttgart Connection e.V. und Regionalmanager-Süd von Teach First Deutschland. Der studierte Betriebswirt mit Unternehmens- und Auslandserfahrung war u.a. auch als Programmdirektor für Common Purpose Deutschland tätig.
lars.becker@divercities.org

Die Stadtisten

Die Stadtisten sind eine kommunalpolitische Wählergruppe in Stuttgart sowie Aktionsplattform für unterschiedliche Initiativen. Politik, wie wir sie verstehen, bedeutet gemeinsam Lösungen zu finden für die Fragen und Probleme, die die Stadt und das Gemeinwesen betreffen. Dabei benutzen wir Herz, Hand und Hirn, sind ebenso rational wie einfühlsam. Politik braucht Mitgefühl, soziale Wärme und Solidarität. Das, was unsere Herzen bewegt, werden wir aus dem Stadtgespräch in die Politik hineintragen.

More Posts