Liebes Stuttgart,
Du hast es 2014 erneut geschafft und Dir den offiziellen Titel „Kulturhauptstadt“ der Republik geholt. Das gefällt uns – wir gratulieren. Vor allem Dein Schauspiel und die Oper, aber auch Ballett und Museen machen ausgezeichnete Arbeit und bereichern unsere Stadt. Du pflegst diese Hochkultur, hast großes Verständnis für sie, gehst mit ihr Hand in Hand. Diese Beziehung funktioniert.
Kunst beginnt im Kleinen
Für das Große ist gesorgt, jetzt sollte es Dir auch um das Kleinere gehen. Weißt Du eigentlich, dass Du wunderbare Eigengewächse hast, die sich in den Nischen für Dich schmutzig machen, Dich durch ihr Spiel beschenken, in Dich hineinstrahlen und Dich oft glänzen lassen? Einige dieser Akteure haben es von den kleinen Bühnen auf die großen geschafft. Darauf kannst Du stolz sein, kommen diese Schaffenden doch aus Deiner Mitte.
Leicht hatten sie es wirklich nicht – denn es fällt Dir schwer, den Blick zu schärfen, Deine kulturellen Ressourcen zu sehen. Du verstehst nur bedingt, was jenseits der etablierten Bühnen passiert. Du weißt noch viel zu wenig vom Wert dieser alternativen Orte und dem Schaffen ihrer Künstler – ein Wert, der Dir zum Mehrwert gereichen könnte, aber zu unbeachtet und verkannt ist.
Du klammerst zu sehr aus, schenkst dem originären Nährboden der Kunst zu wenig Beachtung. Und auch wenn Dir das noch nicht bewusst ist: Du siehst nicht, was zu kurz kommt. Es fehlt am Verständnis Deiner Politik und der Verwaltung. Das kann leicht zur Quelle der Ignoranz werden – dies bedroht die Existenz der Künstlerinnen und Künstler.
Deshalb: Gib dieser freien Kunst- und Kulturszene mehr Beachtung und Vertrauen, und vor allem bezahlbaren Raum. Sie fragt nicht nach Subventionen, sondern arbeitet, schafft und produziert mit Fantasie, Kreativität und Engagement aus sich selbst heraus. Nicht nur die Künstler der Wagenhallen sollten Dir hierfür ein leuchtendes und warnendes Beispiel sein.
Was willst Du tun, um diese Leute zu halten? Verlier‘ sie nicht.