Unsere Stadträtin Deborah Köngeter sitzt für unsere Fraktion „PULS“ im Ausschuss für Klima und Umwelt. Ihr persönliches Statement zur derzeitigen Klimadebatte in der Kommunalpolitik Stuttgarts:
Erst über Wochen kein Regen, dann Stürme und Starkregen, den der völlig ausgetrocknete Boden gar nicht aufnehmen kann, sodass das Wasser, das auch für die Kanalisation zu viel ist, sich auf der Straße und in Kellern sammelt. Niedrigwasser im Neckar – und dann Hochwasser. Der gekippte Max-Eyth-See. Hitzetage mit tropisch warmen Nächten, in denen der Kessel kaum spürbar abkühlt. Öffentliche Plätze, die man tagsüber nicht überqueren kann, weil kein Schatten vorhanden ist. Verwaiste Spielplätze, weil es unverantwortlich wäre, die Kinder in die Hitze zu lassen. Ältere Menschen, die ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, weil sie die Hitze draußen nicht ertragen. Dachgeschosse, die kaum mehr bewohnbar sind, weil selbst nachts die Raumtemperaturen nicht unter 30°C sinken.
Das ist nur ein Auszug der Folgen, mit denen Stuttgart im vergangenen Jahr gekämpft hat.
Weitere Folgen werden auch uns hier in Stuttgart treffen, selbst wenn die Stadt selbst erst einmal nicht von steigenden Meeresspiegeln betroffen sein wird. Ob Folgekosten in der Landwirtschaft aufgrund der Trockenheit oder fehlender Insekten, abgeschaltete Kraftwerke mangels Kühlwasser, Flüchtlingsströme – dann vielleicht aus Venedig oder Hamburg –… Wir alle werden dafür zahlen und deshalb müssen wir an so vielen Stellen umdenken!
Unsere Städte müssen so umgebaut werden, dass sie jedes Wasser, das vom Himmel kommt, aufnehmen können – „Schwammstadt“ ist hier das Zauberwort. Nur so können wir an heißen Tagen mit Verdunstungskälte ansatzweise regulieren. Gründächer, Flächen, die zeitweise unter Wasser stehen dürfen und die ermöglichen, dass das Wasser zeitversetzt abfließt oder versickert, Erdreich, das auch im trockenen Zustand nicht asphaltähnlich wird, versickerungsfähige Bodenbeläge…
Und wir brauchen Bäume. Mehr Bäume. Unendlich viel mehr Bäume. Ein Sonnensegel mag uns vor aggressiver Sonnenstrahlung schützen, kühlen tut es nicht. Jeder, der schon einmal auf einer Wiese unter einem Baum saß wird sich des Unterschieds bewusst sein, den Wiese und Baum zu Asphalt und Sonnenschirm machen. Dass Bäume zudem CO2 aus der Luft wieder in Sauerstoff umwandeln können, sollte Argument genug sein.
Wenn wir richtig Energie sparen wollen, ist eine Klimatisierung von Gebäuden keine Lösung – noch nicht mal eine effiziente. Die Gebäude selbst müssen sich möglichst ohne zusätzlichen Energieeinsatz regulieren und unsere Jahreszeiten und unterschiedlich hohe Sonnenstände helfen uns dabei. In Zeiten, in denen eine technische Klimatisierung nicht das Mittel der Wahl war, hat jede Region ihre eigenen baulichen Lösungen entwickelt, mit der sie aufs Klima reagiert hat. Die runde Form der Iglus in Grönland und deren Eingangsbereich mit Windfang, klar zonierte Bauernhöfe im Schwarzwald, bei denen das im Dach gelagerte Heu eine natürliche Dämmschicht für den Winter gebildet hat, Gebäude mit Kühltürmen oder dunkle Innenhöfe mit kühlen Brunnen in Ländern wie Spanien und Italien, weiß getünchte, die Sonne reflektierende Gebäude in Griechenland, eine Kombination mit Viehställen, kluge Grundriss- und Fensterflächenanordnungen und Gebäudeüberstände, die im Sommer die Sonneneinstrahlung ins Gebäude verhindern und im Winter erlauben.
Dass wir in allen Bereichen auf fossile Roh- und Brennstoffe verzichten müssen, nicht nur, weil sie zu Ende gehen, sondern auch weil sie CO2 freisetzen, dass über viele Jahrtausende gebunden war, und dass wir im Bereich Mobilität noch viel schneller wegkommen müssen von einem hohen Anteil motorisierten Individualverkehr, sollten dabei längst Selbstverständlichkeit geworden sein.
Und nicht zuletzt – das emotionalste Thema unter denen, die uns helfen, dem Klimawandel entgegenzuwirken: Wir werden gar nicht darum herumkommen, uns anders ernähren! Dabei spielt eine Rolle, wie wir unsere Flächen bewirtschaften, ob sie dazu beitragen CO2 zu reduzieren oder – beispielsweise aufgrund massiven Düngereinsatzes – zusätzliches CO2, Methan oder Lachgas freigeben, wie weit unsere Lebensmittel transportiert werden – bei nicht-heimischen Früchten macht es zumindest einen Unterschied, ob Kiwi oder Avocado aus Südeuropa oder Südamerika oder Neuseeland kommen –, wie viel Tier in unserem Essen steckt – und ob es Rind oder Heuschrecke ist – und wie sehr wir uns um das Thema Lebensmittelverschwendung bemühen.
Vieles wäre in Maßen möglicherweise irgendwann verträglich gewesen, aber wir sind maßlos geworden und haben uns daran gewöhnt, dass immer alles verfügbar ist. Die Autos immer mehr und größer und schwerer, das Fleisch auf dem Teller statt dem Sonntagsbraten eine tägliche Selbstverständlichkeit, der Kurztrip mit dem Flugzeug wird nicht mal mehr hinterfragt.
Die Diskussion um die angestrebte Klimaneutralität letzten Freitag im Ausschuss für Klima und Umwelt macht mich immer noch wütend. Der Klimawandel wartet nicht auf uns und an Naturgesetzen ändert auch politischer Wille nichts! Nur wir – jeder einzelne von uns, aber auch jede politische Ebene – kann an einzelnen Stellschrauben drehen. Und das am besten ohne zu schauen, ob der Nachbar oder die Bundesregierung gerade mitmachen oder nicht, stattdessen lieber immer mit dem Ziel, als gutes Beispiel voranzugehen.
Heute beginnt die UN-Klimakonferenz in Madrid. Sie steht unter dem Titel „Zeit zu handeln“. Wir können nun mal wieder von unseren Regierungen das Beste hoffen – oder derweil im Rahmen unserer Möglichkeit selbst Dinge in die Hand nehmen. Auf geht’s!