Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Fritz Kuhn,
bezugnehmend auf die am Donnerstag veröffentlichte Pressemitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart, wonach eine erneute Demonstration des Anmelders Michael Ballweg auf dem Cannstatter Wasen mit einer Höchstgrenze von 10.000 TeilnehmerInnen unter Auflagen genehmigt wurde, möchten wir Ihnen unsere Skepsis gegenüber dieser Entscheidung mitteilen.
Uns ist bewusst, dass Demonstrationen aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts prinzipiell zu genehmigen sind. Das begrüßen wir. Wir fragen uns allerdings, inwiefern es tatsächlich realistisch ist, die Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes im Falle einer Veranstaltung dieser Größe angemessen einhalten zu können?
Bereits die erste größere Demonstration des Anmelders Michael Ballweg auf dem Schlossplatz vor einigen Wochen, an welcher zwischen 350-500 Menschen teilnahmen, zeigte, dass Mindestabstände nicht eingehalten wurden. Bekannt ist auch, dass sowohl Stadt als auch die Polizei aufgrund der höher ausgefallenen Teilnehmerzahl überrascht waren und dementsprechend nicht gehandelt werden konnte.
Vergangenen Samstag kam es dann zu einer erneuten Steigerung der Teilnehmerzahl auf dem Cannstatter Wasen. Zahlreiche Video- und Fotoaufnahmen scheinen zu belegen, dass es auch dort zu Nichteinhaltungen der Auflagen im Sinne der Schutzmaßnahmen (Sicherheitsabstände) kam. Verstöße wurden unserem Kenntnisstand nach nicht geahndet.
Am heutigen Samstag ist mit einer abermals steigenden Teilnehmeranzahl zu rechnen, Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet werden erwartet –
es kommt zu einem erhöhten Fahrgastaufkommen im öffentlichen Nahverkehr und betrifft somit auch jene MitbürgerInnen, die mit besagter Demonstration nichts zu tun haben.
Die Verlautbarung der Stadt, eine Demo solchen Ausmaßes zu genehmigen, löst in weiten Teilen der Stadtgesellschaft großen Unmut aus. Dies lässt sich in den sozialen Medien feststellen und wird durch sorgenvolle Mails an die Fraktionen unterstrichen. Da vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bewusst ist, dass die Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderats nicht in diese Entscheidung miteinbezogen wurden, kommt es zu drastischen Vorwürfen an die Politik. In den Augen sehr vieler Stuttgarterinnen und Stuttgartern konterkariert eine Veranstaltung dieser Größe die redlichen Bemühungen eines Großteiles der Stadtgesellschaft, sich an die geltenden Infektionsschutzmaßnahmen zu halten. Es lässt sich kaum vermitteln, dass kleinere Gruppen im öffentlichen Raum bei Verstößen gegen die Corona-Verordnung des Landes mit zum Teil erheblichen Bußgeldern belegt werden, während diese Regeln – bezogen auf die genannten, vergangenen Demonstrationen – offensichtlich nicht zu gelten scheinen.
Aufgrund der genannten Faktoren fragen wir Sie, welche juristischen Ermessensspielräume die Stadt Stuttgart hat, um große Demonstrationen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes und der Corona-Verordnungen des Landes besser zu kontrollieren, gegebenenfalls zu beschränken und bei zunehmenden Verstößen zügig aufzulösen?
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Fraktionsgemeinschaft PULS